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Wer im Sommer durch die Heumilchregionen wandert, wird ihnen häufig begegnen: Zwischen dem Allgäu und der Steiermark genießen die Kühe der Heumilchbäuerinnen und Bauern die frische Luft, klares Wasser und abwechslungsreiches Futter auf den Weiden und Almen. Ganz weit im Westen Österreichs geht man noch einen Schritt weiter: Hier „sömmern“ (= Alpung) die Heumilchkühe nach einem uralten, traditionellen Weidesystem, der Dreistufen-Landwirtschaft.
Höhere Lagen garantieren bestes Futter
Wie so manches Brauchtum, das heute unser kulturelles Erbe ausmacht, entstand auch die besondere Bewirtschaftungsform im Bregenzerwald aus der Notwendigkeit heraus: Südlich des Bodensees gelegen, gehört der Bregenzerwald zu den landschaftlich reizvollsten Regionen Vorarlbergs – allerdings sind die Talböden vielerorts schmal und die für die Landwirtschaft nutzbaren Flächen rar. So standen die Bregenzerwälder Bauern schon vor Jahrhunderten vor der Frage, wie sie ihre Kühe im Sommer ernähren und gleichzeitig genügend Heu für den Winter ernten konnten. Für beides reichten die hofeigenen Gründe oft nicht aus. Aus diesem Grund zogen die Landwirte mit ihren Tieren im Frühling in höhere Lagen. Auf den Weiden des sogenannten „Vorsäß“ finden die Heumilchkühe noch heute ab etwa Ende April frische Gräser und Kräuter und viel Auslauf. Die Menschen errichteten einfache Behausungen und kleine Sennereien, um die tagesfrische Milch der Heumilchkühe zu schmackhaftem Käse zu verarbeiten.
„Sömmern“ mit Mehrwert
Die auf zwischen 1.200 und 1.600 Metern Höhe gelegenen „Vorsäß“-Almen bleiben aber nicht die letzte Station der Herden: Zwischen Juni und August geht es auf die (Hoch-)Alpe. In bis zu 2.000 Metern Höhe bietet die Natur hier ausreichend Weideflächen und angenehme Temperaturen für Mensch und Tier.
Durch den Ortswechsel wird der regionale Lebensraum nicht nur vollständig genutzt, die Dreistufen-Landwirtschaft leistet auch einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Bregenzerwälder Kulturlandschaft. Durch ihr Grasen verhindern die Heumilchkühe eine zunehmende Verbuschung der Weiden, und mit ihrem festen Tritt tragen sie zur Stabilität der Böden bei.
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Je nach Witterung wandern die Heumilchkühe im Laufe des Septembers von den steilen Berghängen für einige Wochen zurück auf den Vorsäß, bevor sie vor dem ersten Schnee ins Tal heimkehren.
Ein nachhaltiges System
Mithilfe der Dreistufen-Landwirtschaft können die Bregenzerwälder Heumilchbauern niedrig gelegene Wiesen voll reifen lassen und das Heu für den Winter in mehreren Schnitten ernten. Um diese Arbeit zu bewerkstelligen, während die Tiere auf der Alpe „sömmern“, haben sich viele Bauern im Bregenzerwald zu sogenannten Alpgemeinschaften zusammengeschlossen. Einzelne Familien oder Familienmitglieder verbringen den Sommer auf der Alpe und werden von jugendlichen Helfern, den „Pfistern“, beim Sennen und der Versorgung aller Kühe der Gemeinschaft unterstützt. Die im Tal verbliebenen Bäuerinnen und Bauern sichern durch die Mahd volle Heuböden für den Winter. So greift in der uralten Tradition der Dreistufen-Landwirtschaft im Bregenzerwald die Arbeit am Berg und im Tal perfekt ineinander und garantiert den Fortbestand der nachhaltigen Wirtschaftsweise der Heumilchbauern.
Gebietsbäuerin Erika Beer aus Schnepfau hat uns erzählt, wie sie die Tradition der Dreistufen-Landwirtschaft fortführt.
Fotos © Doris Beer